Seit bald anderthalb Jahren beherrscht die Corona-Pandemie das öffentliche wie private Leben. Auch die anwaltliche Praxis wurde von Covid-19 infi ziert, die Fragen und Probleme ziehen sich durch verschiedenste Rechtsgebiete
Arbeitsrechtler, die auf Arbeitgeberseite beraten, sahen sich gerade in der ersten Welle im März/April 2020 mit Fragen von Unternehmern konfrontiert, die geprägt waren durch eine entsprechende Unsicherheit im Umgang mit den Virusfolgen.
Nur ein kleiner Ausschnitt: Fällt der infektions- und quarantänebedingte Ausfall von Arbeitnehmern unter das Entgeltfortzahlungsgesetz? Muss der Arbeitnehmer eine Covid- Infektion gegenüber dem Arbeitgeber offenlegen und dürfen Arbeitnehmer auch gegen ihren Willen aus Gründen des Infektionsschutzes nach Hause geschickt werden? Oder: Wer hat Anspruch auf Homeoffice – und wen kann der Arbeitgeber auf ein Arbeiten im Homeoffice verpflichten? Darf ein Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn gegenüber seinem Kind Quarantäne verordnet wurde? Neben konkreten rechtlichen Fragen, die mit dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Instrumentarium zu lösen waren, spielte ersichtlich auch eine Rolle, wie Arbeitgeber die Balance in Betrieb und Unternehmen halten konnten, weshalb kreative Absprachen, etwa zur Urlaubsgewährung oder zur Abgeltung von Mehrarbeitsstunden, gefordert waren.
Abfindungen und Vergütungen
Da die Pandemie rasch wirtschaftliche Folgen nach sich zog, erweiterte sich die Beratungspalette entsprechend: Unterstützung bei der Einführung von Kurzarbeit, die Prüfung betriebsbedingter Kündigungen bis zu Betriebsänderungen, die Sozialpläne oder einen Interessenausgleich nach sich zogen. Gerade bei deutschen Unternehmen, die zu international tätigen Konzernen gehörten, war ein Trend zu sehen, sich von teuren Angestellten zu trennen, was zum Teil aufwendige Vergleichsverhandlungen nach sich zog. Arbeitsrechtliche Anfragen gab es von in Krankenhäusern tätigen Chefärzten. Gerade in der ersten Welle, aber auch in der jetzigen dritten Welle, fuhren viele Kliniken ihren Normalbetrieb herunter, um Kapazitäten für Intensivbehandlungen zu schaffen. Das führte unter anderem zu einem Rückgang von Operationen und sonstigen Eingriffen. Da Chefarztverträge neben einer Grundvergütung in der Regel eine sogenannte Beteiligungsvergütung für die Behandlung von Privatpatienten vorsehen, wirkte sich der Leistungsrückgang auch in einer Minderung dieser variablen Vergütung aus. Das warf natürlich weitergehende Fragen auf. Covid-19 spülte ferner diverse Konfliktfälle in die Kanzlei: Einerseits Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenn letztere sich beispielsweise weigerten, bei bestimmten Tätigkeiten die vorgeschriebene Schutzmaske zu tragen – es ging dann um Abmahnungen und/oder verhaltensbedingte Kündigungen. Auch Fälle, in denen Arbeitgeber besondere Belastungen ihrer Beschäftigten mit einer Corona-Prämie belohnen wollten, führten zu Streitfragen: Angefangen von der eher einfachen Thematik, bis zu welchem Betrag eine solche Prämie steuerfrei gewährt werden kann, ging es um ganz individuelle Prämien- berechtigungen von Krankenhausmitarbeitern, für die der
Gesetzgeber entsprechende Bestimmungen im Krankenhauszukunftsgesetz
geschaffen hatte. Corona führte aber auch auf kollektiver Ebene zu Streitfällen: In welchem Umfang steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Gewährung einer Corona-Prämie für die Belegschaft zu? Und wie ist der Fall zu lösen, wenn der Arbeitgeber eine solche Prämie schon ausgeschüttet hat, ohne den Betriebsrat vorher zu beteiligen? In diesem Zusammenhang waren Strategien zur Vermeidung teurer Einigungsstellenverfahren gefragt.
Rechtsprobleme durch die Maskenpflicht
Rechtsprobleme unterschiedlicher Art löste auch die eingeführte Maskenpflicht aus, zwei Beispiele hierzu: In einem Krankenhaus wurde nach einiger Zeit festgestellt, dass von einem deutschen Unternehmen aus China eingeführte FFP2- Masken die erforderliche Filterfunktion nicht ausreichend erfüllten. Auf einer Intensivstation hatten sich mehrere Pflegekräfte mit Corona infiziert. Es ging einerseits um die Klärung einer Nachlieferungspflicht des Verkäufers, ferner um die Frage, ob gegen den Lieferanten Schadensersatzansprüche wegen der vorhandenen Mängel geltend gemacht werden können, etwa in Höhe des Ersatzes der Entgeltfortzahlungskosten der erkrankten Pflegemitarbeiter. Die Maskenthematik wirkte sich ferner in tariflichen Fragen aus: So war in einem Tarifvertrag für das Tragen von Atemschutzmasken eine Erschwerniszulage zugunsten der Arbeitnehmer geregelt. Es galt zu differenzieren, ob diese Zulage bereits durch das Tragen des zu Beginn der Pandemie einfachen – oft selbst genähten – Mundschutzes zu bezahlen war oder erst bei Nutzung der später vorhandenen FFP2-Masken.
Unsicherheit bei Gastronomen
Beratungsbedarf löste ferner die Schließung gastronomischer Betriebe aus, insbesondere ging es hierbei um versicherungsrechtliche Fragestellungen. Konkret: Hat ein Gastronom oder Hotelier Ansprüche aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung für die im Vertrag geregelte sogenannte Haftzeit? Die Antwort hängt natürlich von den konkreten Versicherungsbedingungen ab, in vielen Fällen lag es so, dass die Versicherung für Ausfälle eintreten sollte, die aufgrund behördlicher Betriebsschließung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes erfolgten. Die Versicherer nahmen hierbei den Standpunkt ein, es fehle bereits an einer behördlichen Schließung, weil diese über die jeweiligen Corona Infektionsschutzverordnungen der Länder angeordnet seien, zudem sei zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Pandemie Covid-19 noch nicht als Krankheit im Katalog des Infektionsschutzgesetzes aufgenommen gewesen. Der überwiegende Teil der hierzu bislang ergangenen Urteile – eine höchstrichterliche Entscheidung steht noch aus – gab den Versicherern recht, weshalb sich die betroffenen Gastronomiebetriebe zumeist mit Vergleichen auf deutlich abgesenktem Niveau zufrieden geben mussten, bei denen sich aber immerhin die Übernahme der ihnen entstandenen
Anwaltskosten verhandeln ließ. Die Corona-Pandemie wirkt sich auch bei eher gewöhnlichen zivilrechtlichen Fragestellungen aus, die aber zu erheblichen Problemen bei Lieferketten führen. Etwa berief sich ein Rohstofflieferant, der pandemiebedingt von seinem Verkäufer nicht rechtzeitig beliefert werden konnte, auf einen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelten Selbstbelieferungsvorbehalt und machte zusätzlich ein Leistungshindernis infolge höherer Gewalt geltend. Derartige Fälle ließen sich aber mit den üblichen zivilrechtlichen Instrumentarien lösen.
Einfluss Europarecht auf nationales Recht
Streitbehaftet sind ferner Ablehnungen sogenannter Corona Überbrückungshilfen, wobei die Problemkonstellationen höchst unterschiedlich sind: Anspruchsberechtigung, Höhe der Überbrückungshilfe und so weiter. Es gab zudem europarechtlich geprägte Fragestellungen, wie etwa bei der Vertretung einer Klinikgruppe, bei der es darum geht, ob die einzelnen Klinikbetriebe sogenannte verbundene Unternehmen im Sinne der Definition der EU-Kommission für kleine und mittelständische Unternehmen sind. Insbesondere steht hier die Frage im Vordergrund, inwieweit sich die europarechtliche Definition auf die Richtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für solche Unternehmen auswirkt. Eine ganze Reihe von Auseinandersetzungen betraf bislang auch das Reiserecht: pandemiebedingt ausgefallene Flüge oder Pauschalreisen, bei denen die Kunden von Reiseunternehmen aufgrund der gestrichenen Flüge die weiteren
Leistungen des Pauschalreisepaketes, etwa Hotelübernachtungen, Zugfahrten oder die Nutzung eines Wohnmobils nicht in Anspruch nehmen konnten. Die Erfahrung zeigte, dass Reiseveranstalter, solange ihre Kunden nicht anwaltlich vertreten waren, diese mit Gutscheinangeboten von der Rückerstattung des Reisepreises abhalten wollten und diese langwierige Vertröstungen hinnehmen mussten. Trotz eindeutiger Rechtslage (ohne Reiseleistung keine Vergütung) half in Einzelfällen oft erst eine eingereichte Klage, um den Reiseveranstalter dazu zu bewegen, den Reisepreis zurückzuzahlen. Letztlich hing dies mit erheblichen Liquiditätsproblemen zusammen, denen sich Reiseveranstalter durch die Pandemiesituation ausgesetzt sahen. Beratungen bezogen sich aber nicht ausschließlich auf Konfliktfälle, sondern auch auf den Bereich der Rechtsgestaltung. So entwickelte etwa eine Stiftung ein Angebot für ein Pandemie-Zertifikat für Krankenhäuser, mit dem diese sich in vergleichbaren Situationen für die Zukunft mit geregelten Abläufen aufstellen können, um den Gesundheitsschutz der Patienten zu gewährleisten. Hier waren Vertragsangebote und Kooperationsverträge zu entwickeln. Auch wenn hier nur ein kleiner Ausschnitt an Rechtsproblemen dargestellt werden kann, lässt sich erahnen, in welch vielfältiger Weise Corona den Rechtsbereich infiziert hat.
Ein Beitrag von Dr. Frank Wertheimer - Foto: www.stock.adobe.com/spaskov