Burda ist für Offenburg nicht einfach nur ein Arbeitgeber oder Steuerzahler. Burda ist eine Identifikationsfigur, eine Love-Brand und eigentlich eine Nummer zu groß. Vielleicht gibt es daher immer wieder Ängste um den Verbleib der schillerndsten Marke diesseits der Kinzig?
Wer vor 20 Jahren nach Offenburg fuhr, dem dürfte es folgendermaßen ergangen sein: Runter von der Autobahn. Zubringer. Dann mitten durch Burdas Werksgelände. Rechts das Hochhaus mit den blauen, fünf Meter hohen Lettern auf dem Dach. Links die alte Druckerei. Über einem der Steg mit Burdas Logo, Pfeil nach rechts und dem Hinweis „Besucher“. Als w re es völlig klar, dass man zu Burda will, wenn man nach Offenburg fährt. Das Ensemble wirkt wie ein Stadttor. Architektonisch nicht sonderlich hübsch, dafür aber eindrucksvoll wie ein Aufwärtshaken. 20 Jahre später ist der Steg weg. Die blauen Lettern vom Hochhausdach hat man auf den Boden der Tatsachen gebracht und die alte Druckerei ist abgerissen. Stattdessen steht hier ein Ärzte haus. Medizinische Fu pflege, Zahnarzt, Reha-Doktor, Schmerztherapie, Apotheke. Alles da. Auch eine bronzene Büste von Verleger Franz Burda. Immerhin muss der Senator, wie man ihn in Offenburg nennt, nicht direkt auf die Banalitäten einer alternden Gesellschaft blicken – sondern darf über die Hauptstraße hinweg den Stammsitz im Auge behalten. Hochhaus, Medienpark, Eiermann-Bau. Die Keimzelle eines Konzerns mit heute 12 000 Mitarbeitern.
Und Burda hat die Stadt verwöhnt. Mit dem Bau des Medienparks im Jahr 2000, der Verwandlung von Aenne Burdas Verlagsgebäude zum Andy Warhol Building 2002, der Kernsanierung des Media Towers 2004 und dem Bau des neuen Druckzentrums im Offenburger Osten 2005. „Die infrastrukturellen Investitionen von Hubert Burda Media in den Unternehmensstandort Offenburg belaufen sich seit dem Jahr 2000 auf über 100 Millionen Euro“, erklärt dazu Verena Bücher aus der Presseabteilung.
Die Krönung des Ganzen folgte 2008 mit der Bambi- Verleihung. Die Welt schaute nach Offenburg und die Stadt war pickepackevoll mit mehr oder weniger bekannten Film- und Fernsehstars. Auf eine Wiederholung dieser Megasause aber hofft die Stadt seither jedes Jahr aufs Neue vergeblich. Bambi gastierte stattdessen in Düsseldorf und Wies baden, in Potsdam und Berlin. Und jetzt wird Bambi auch noch reformiert. „Bambi soll 2019 offener werden, wir denken über ein Ereignis mit vielleicht 10 000 Zuschauern in einer großen Arena nach“, verriet Burda-Vorstand Philipp Welte der Süddeutschen Zeitung. Aus der Gala im kleinen Kreis mit Fernsehübertragung für das Volk soll ein Happening werden, das zum Geist des 21. Jahrhunderts passt. Ob aber Offenburg dabei mit von der Partie darf, das steht in den Sternen. Gleichzeitig spielt der Stammsitz im Konzern von Jahr zu Jahr eine kleinere Rolle. Zum Jahresende 2010 waren es 1725 Mitarbeiter am Ufer der Kinzig. Fünf Jahre später noch 1678, jetzt 1586. Das ist ein Minus von acht Prozent und vielleicht nicht weiter der Rede wert, wenn nicht der Konzern im Ganzen mit 56 Prozent mehr Beschäftigten völlig andere Zahlen vorweisen würde …
Vor diesem Hintergrund muss man auch die emotionale Wirkung einer strategischen Entscheidung des Konzerns sehen. „Wir investieren in Köpfe, nicht in Beton“, hei t es aus dem Verlag. Sprecherin Bücher formuliert es vager, meint aber dasselbe: „Als Medien- und Technologieunternehmen stehen vorrangig Investitionen ins operative Geschäft im Fokus und nicht Investitionen in Immobilien. Die grundsätzliche Strategie des Immobilienmanagements im Unternehmen besteht somit generell in der Anmietung von Gebäuden, um stets ideal, flexibel und effektiv den Flächenbedarf anpassen zu können.“ Für Offenburg bedeutet das: Das Kronenwiese-Areal mit der alten Druckerei hat Burda komplett verkauft, das Helios- Gebäude ist angemietet. Das Burda Sport Club Gelände im Westen der Stadt ist ebenfalls verkauft, hier wird die Freiburger Stuckert Wohnbau auf 30 000 Quadratmetern Wohngebäude errichten. Auch das Andy Warhol Building gegenüber vom Medienpark ist verkauft und gehört der Hurrle GmbH aus Oberkirch. Burda ist hier nur noch Mieter. Für das Sechseck nebendran sucht Burda noch einen Käufer, bestätigt Verena Bücher. „Wir sind gesprächsbereit für interessierte Investoren.“
Ins Reich der Legenden verweist die Pressesprecherin dagegen Informationen, wonach auch große Teile des Burda-Medienparks leer stünden. „Natürlich ziehen immer mal wieder Abteilungen um und entsprechend regelmäßig sieht man bei uns auch Umzugskartons. Aber das ist für ein dynamisches Unternehmen doch ganz normal“, sagt Bücher. „Und überhaupt: Ist es nicht so, dass, seit die Bunte 1983 nach München gezogen ist, diskutiert man in Offenburg über den Abschied Burdas. Warum eigentlich?“ An dieser Stelle lohnt ein Blick auf Burdas Zahlen. Denn die sind auf Konzernebene klasse, auch wenn es mit den drei Milliarden Euro Umsatz in 2018 noch nichts wird. „Das macht aber nichts“, verriet ein gut aufgelegter Hubert Burda unlängst vor den Mitgliedern des Offenburger Marketing-Clubs. „Wir werden wohl bei zwei-komma-acht liegen und die drei dann halt 2019 machen.“
Eine Aufteilung der Erlöse nach Standorten gibt es bei Burda nicht, stattdessen aber eine nach Segmenten. Mehr als die Hälfte der Konzernerl se entfallen demnach auf die nationalen Digitalmarken. Darunter die Kontaktbörse Xing, das Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu, der Reisevermittler Daydreams oder auch Silkes Weinkeller, der Online-Florist Valentins, das Versicherungsportal ino24, Holiday-Check und viele mehr. Alles zusammen: rund 1,4 Milliarden Euro. Die nationalen Medienmarken von Focus über Playboy und Bunte (alle München) bis Glücks Revue, Frau im Trend und Lisa (alle Offenburg) bringen es auf 670 Millionen Euro. Das ist ein Plus von zehn Millionen gegenüber 2016 und Verena Bücher stellt dazu klar: „Um die Wirtschaftlichkeit Burdas am Standort Offenburg ist es bestens bestellt. Nur ein Beispiel aus dem Bereich der nationalen Medienmarken: Gerade die Verlagsgruppen BurdaHome und BurdaLife in Offenburg sind sehr profitabel. Top-Marken wie Freizeit Revue gehören nach wie vor zu den Cashcows im Unternehmen.“ Offenburg sei zudem besonders tatkräftig und innovativ in der Entwicklung neuer Medienprodukte. Für die Pressesprecherin ist damit klar: „Wachstum als zentrales Credo von Burda gilt auch am Stammsitz Offenburg.“
Tatsächlich wird Burda auch am Stammsitz in naher Zukunft wieder nennenswert investieren. Allerdings in den Geschäftsbereich Druck, der angesichts der boomenden Digitalmarken eher wie ein Sorgenkind anmutet. Zum Konzernergebnis von 2,7 Milliarden Euro hat der Druck zuletzt nur 130,2 Millionen Euro (Vorjahr 133,9) beigesteuert. „BurdaDruck ist in einem seit Jahren rückläufigen Markt nach wie vor eine der führenden und leistungsstärksten Druckereien in ganz Europa“, erklärt dazu die Pressesprecherin. Burda werde daher rund 30 Millionen Euro in den Druckstandort Offenburg und den weiteren Ausbau des Druckzentrums am Güterbahnhof investieren. „Unsere Pläne für den Tiefdruckstandort Offenburg sind ein klares Bekenntnis vom gesamten Vorstand und von Verleger Hubert Burda zu dem Geschäftsbereich des Unternehmens, in dem es seine Wurzeln hat“, betont Heiko Engelhardt, Geschäftsführer Burda Druck. Bis 2020 werde man die Produktionshallen des Druckzentrums am Güterbahnhof ausbauen, die vorhandenen Druckmaschinen sowie die Weiterverarbeitung aus dem alten Werk an der Hauptstraße umziehen und wieder in Betrieb nehmen. Grund dafür: Das Gebäude des alten Druckwerks in der Hauptstraße aus dem Jahr 1965 sei nach heutigen Standards in vielerlei Hinsicht ineffizient – etwa durch die vertikale Produktionsanordnung über mehrere Stockwerke. Und was passiert mit dem Gebäude? Es werde „auch über das Jahr 2020 hinaus“ betrieblich genutzt, teilt Burda mit. Ob das nun bedeutet, dass auch dieses Gebäude veräußert und angemietet wird, lässt das Unternehmen indes offen.
Vielleicht aber sind solche lokalen Befindlichkeiten auch gar nicht so wichtig. Denn Hubert Burda hat im Oktober 2018 mit seinem Sohn Jacob, mit Roland und Michael Mack sowie Martin und Martin-Devid Herrenknecht eine interessante Initiative auf den Weg gebracht. Man wolle sich gemeinsam dafür einsetzen, das Rheintal als Media Valley bekannter zu machen, um so mehr junge High Potentials anzulocken – und schaue dabei selbstbewusst in Richtung Silicon Valley. Hubert Burda: „Entlang des Oberrheins hat sich von Karlsruhe über Straßburg und Offenburg bis Basel ein herausragender Medien- und Technologiecluster entwickelt, der seinesgleichen in Europa sucht.“ Und noch etwas gibt Hoffnung. „Der Jacob spricht gut badisch“, sagte der Verleger und schob gleich noch hinterher, warum Familienunternehmen so erfolgreich sind, „weil du in frühester Zeit mitkriegst, dass dein Erbe nicht dein Besitz ist, sondern nur dein Pfand, das du weiterentwickeln und mehren sollst.“
Ein Beitrag von Ulf Tietge, Foto: Archiv / Hubert Burda Media