Backpacker-App, Unboxing, personalisierte Werbung – die Gründerszene entdeckt unsere Gegend als nachhaltige Tourismusdestination. Der Black Forest Accelerator von startUp.connect will sich deshalb nun dauerhaft diesem Thema verschreiben
Die Idee wurde 2019 in den peruanischen Anden geboren, irgendwo bei Cusco – auf jeden Fall noch fernab des Schwarzwalds. Stephan Winter befand sich damals auf Weltreise. „Ich wollte die Ruinenstadt Machu Picchu besuchen und habe ein Ticket bei einer Agentur vor Ort gekauft“, erklärt der 26-Jährige. Der Preis: 150 Euro für einen Fünf-Tages- Trip – alles inklusive. „Das passte super in mein Budget, denn als Backpacker setzt man sich ein Tageslimit von etwa 30 Euro – für Unterkunft, Verpflegung und Aktivitäten.“ Aber Winter merkte: „Auf verschiedenen Internet-Plattformen wurden dieselben Touren für 600 Euro angeboten. „Diese Intransparenz bei Angeboten für Rucksacktouristen hat mich zum Nachdenken gebracht“, sagt er. Gespräche mit Mitreisenden taten ihr Übriges …
Angebote buchbar machen und bündeln
„Rucksackurlauber schlafen in einem Hostel, das sie über Hostelworld buchen. Da müssen sie aber erst einmal hinkommen. Dafür benutzen sie eine App für öffentliche Verkehrsmittel oder rufen ein Uber. Abends im Hotelbett dann der Gedanke: Was mache ich am nächsten Tag? Da für Hostel und Verpflegung schon viel Geld draufgeht, bleibt für spannende Aktivitäten nicht mehr viel übrig. Man muss also die Agenturen vor Ort abklappern und schauen, wo es günstige Angebote gibt.“ Genau hier will Winter mit seiner App Wadup ansetzen und Synergien nutzen. „Meine Idee ist, eine Plattform für Rucksackreisende zu schaffen, die alle kostengünstigen Angebote an einem Ort bündelt und buchbar macht – eine Art Hostelworld, aber für Unternehmungen.“ Seinen ursprünglichen Plan, mit der App irgendwo auf der Welt an den Start zu gehen, musste Winter wegen der Corona-Pandemie auf Eis legen. Stattdessen dachte er sich: Wieso nicht vor der eigenen Haustür anfangen? – und hat sich den Schwarzwald als Modellregion ausgesucht.
Winters Ziel ist es, 2022 mit einem Pilotprojekt zu starten und mehrere Backpacker-Routen an den Start zu bringen, vom Kinzitgal über den Nord- bis zum Hochschwarzwald. Dafür akquiriert er bereits aktiv Partner. „Das kann vom lokalen Raiffeisenmarkt, in dem man günstiges Vesper kaufen kann, über den Gastronomen, der seinen Mittagstisch vermarkten möchte, bis zum Anbieter von Adventure-Golf oder Sommerrodeln so ziemlich jeder sein“, sagt Winter. Sein Geschäftsmodell: Über Wadup Besucher vermitteln und dafür Provision bekommen. Darüber hinaus sei eine intensive Zusammenarbeit mit regionalen Multiplikatoren wie Destinationsmanagern, Lokalpolitikern, aber auch Influencern geplant, um einen entsprechenden Netzwerkeffekt zu erzeugen. „Uns geht es auch darum, den Schwarzwald als Reiseziel für junge Low-Budget-Urlauber attraktiver zu machen.“ Den Anfang hat er selbst gemacht, auf einem eigenen Backpacking-Trip durchs Kinzigtal. Die Rückmeldungen seien sehr positiv. „Der Bürgermeister von Gutach zum Beispiel hat mir versprochen, uns mögliche Orte fürs Zelten anzubieten – denn das ist im Schwarzwald nicht überall erlaubt.“
Winter und seine App haben in den vergangenen sechs Monaten den Black Forest Accelerator von startUp.connect, der Gründerinitiative der Wirtschaftsregion Ortenau, durchlaufen, die die Tourismuswirtschaft der Region nachhaltiger und gleichzeitig digitaler machen will. Während des Accelerators wurde den künftigen Gründern von Mentoren Wissen aus den Bereichen Unternehmensführung, Branding, Marketing, Recht, Finanzen und Vertrieb vermittelt. „Stephan gilt als einer unserer aussichtsreichsten Kandidaten auf eine erfolgreiche Unternehmensgründung“, erklärt Florian Appel, Leiter von startUp.connect. Insgesamt sechs marktreife Projekte, die Appel als besonders zukunftsträchtig erachtet, haben sich aus den zunächst 14 Teilnehmern im Laufe des Jahres herauskristallisiert. Dazu gehören neben Winter auch die Macher von Bauta, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, optische Datenerhebung datenschutzkonform und anonym zu machen. Einfach gesagt: Eine Werbetafel erkennt per Kamera, wer gerade vor ihr steht, und spielt dann personalisierte Werbung ab. „Das ist auch für die Tourismuswirtschaft sehr spannend“, so Appel weiter. Zu den sechs vielversprechenden Kandidaten gehören aber auch die Erfinder von Zeitgebrauch, die Schwarzwaldboxen vermarkten wollen, und die Organisatoren von Resilienztagen für Führungskr.fte in der Region, die unter dem Namen Score an den Start gehen. Ebenfalls aussichtsreiche Kandidaten für eine erfolgreiche Gründung: Surfield, ein Surf-Park in der Region und MP Events, eine Online-Plattform, auf der Vereine, denen die Ehrenämtler abhandenkommen, Events organisieren können – alles online, versteht sich.
„Grundsätzlich eine gute Idee“
Den Schwarzwald digitaler zu machen, das sieht man auch bei der Schwarzwald Tourismus GmbH grundsätzlich positiv. „Die Idee mit der Backpacker-App ist gut. Man sollte hier aber auf jeden Fall die richtigen Schnittstellen angehen, anstatt jeden Leistungsträger neu zu akquirieren“, sagt Jens Großkreuz aus der Kommunikationsabteilung. Den Schwarzwald als Reisedestination auch für junge Menschen, die auf das Budget achten müssen, sieht man bei der Schwarzwald Tourismus GmbH aber bereits gut aufgestellt. „Es gibt ja auch im niedrigeren Preissegment schon zahlreiche online buchbare Angebote, beispielsweise über die Schwarzwald App“, so Großkreuz weiter. Das Thema an sich habe aber auf jeden Fall großes Potenzial. Der Black Forest Accelerator von startUp.connect wird sich laut Appel auch im kommenden Jahr wieder dem Thema Tourismus verschreiben.
Ein Beitrag von Patrick Czelinski - Foto: Jigal Fichtner