Energiewende geht nicht auf Knopfdruck. Das Freiburger Start-up Greenventory aber liefert die Daten, um sie mit Millionen von Einzelprojekten voranzutreiben
Die Energiewende ist ein dezentrales Projekt. So dezentral, dass Kommunen, Stadtwerke und
Netzbetreiber in der Regel gar nicht abschätzen können, wie weit sie damit sind und wo sie gerade stehen. Das Freiburger Start-up Greenventory, ein Spin-off des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)
und des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), will helfen, die Energiewende an der Stelle fertigzubauen. Das Unternehmen hilft, Fragen zu beantworten wie: An welcher Stelle bringt eine Photovoltaikanlage am meisten? Sollte bei dem neuen Stadtquartier ein Wärmenetz eingeplant werden? Wie müssen die Netze definiert sein, wenn die E-Mobilität ins Rollen kommt? Und wo sind dann die geeigneten Stellen für die notwendige Ladeinfrastruktur?
Antworten aus den Daten
Dass es großes Potenzial für die Erkenntnisse von Greenventory gibt, liegt auf der Hand. Entscheidungen im Energiesektor sind komplex und werden immer komplexer. Das betrifft sowohl Planung wie Umsetzung und Kommunikation. Wenn es nach Greenventory geht, sollten diese Entscheidungen deshalb auf der Grundlage von Daten getroffen werden. „Angst vor Big Data darfst du in unserem Geschäft nicht haben“, sagt Dr. Sven Killinger. In einzelnen Analysen jongliere man schnell mal mit Terrabytes an Daten. Um an diese zu gelangen, hat das Start-up mehr als 120 Quellen: Es stützt sich auf öffentlich zugängliche Datensätze von Landes- und Bundesämtern, auf die OpenStreetMap-Community, die Daten von Wettersatelliten sowie auf Luftbilder und Landnutzungsdaten. „Die Riesenaufgabe ist, das alles zusammenzubringen und energierelevante Informationen abzuleiten“, sagt Killinger. „Die Gesamtschau gibt den Machern der Energiewende vor Ort eine Entscheidungsgrundlage, die ihnen bisher fehlt.“
Der Schatz der Gründer
Zusammen mit den Energie- und Informatikexperten Dr. Kai Mainzer und Dr. David Fischer hat Wirtschaftsingenieur Killinger Greenventory vor einem Jahr gegründet. Die Idee dazu reicht aber schon lange zurück. Die drei Gründer haben die technologische Grundlage in ihren Promotionen und Forschungsprojekten an den Instituten gelegt. „Wir haben einen echten Schatz aufgebaut“, sagt Killinger. David Fischer und er haben neun Jahre am Fraunhofer ISE zusammengearbeitet. Den „Daniel Düsentrieb des Trios“, Kai Mainzer, kennt Killinger von der gemeinsamen Arbeit im Büro des KIT. Alle drei haben fast zehn Jahre Erfahrung mit Technologie und Kunden im Energiebereich. Beides sei wichtig, sagt Killinger: „Mit der Software wollen wir unseren technologischen Vorsprung schnell auf die Straße bringen.“ Als Ausgründung der beiden Institute arbeiten die Gründer und ihr mittlerweile 16-köpfiges Team in den Räumen des Fraunhofer ISE in Freiburg.
Auf dem Weg zum Standardwerkzeug
Bisher läuft ein Beratungsprojekt bei Greenventory so: Kunden wie Netzbetreiber Tennet stellen eine Frage wie: „Wo im Versorgungsgebiet sind erneuerbare Anlagen und wie wirkt sich der Einfluss von Elektromobilität auf die elektrische Last aus?“ Das Start-up liefert die Antwort individuell, indem es mit seinen Algorithmen Analysen erstellt und Modelle vergleicht. Auf Grundlage der sektorenübergreifenden
Szenarien, die Energie-, Wärmeversorgung und Mobilität berücksichtigen, treffen die Auftraggeber Entscheidungen.
Ende 2020 bringt Greenventory nun ein Softwareprodukt auf den Markt, welches das Standardwerkzeug der Energiewende werden könnte. In Deutschland solle es das bis 2025 sein, sagt Killinger, doch das sei erst der Anfang. „Unser System funktioniert genauso gut weltweit.“ Mit dieser zweiten Säule des Unternehmens könne man so etwas wie „das Google Maps der Energie“ werden. Institutionelle Akteure (Kommunen, Netzbetreiber, Energieversorger) und Endverbraucher sollen die Software nutzen. Im Pilotprojekt mit den Stadtwerken Müllheim-Staufen ist das schon bald so weit. Private Nutzer und die Experten des Stadtwerks haben dabei Zugriff auf eine interaktive Karte. Der private Nutzer sieht die konkreten Potenziale seines eigenen Hauses. Wäre Photovoltaik eine Überlegung wert? Mit der Expertenversion kann der Stadtwerkmitarbeiter zusätzlich etwa nach Gebäuden mit einer bestimmten Sonneneinstrahlung filtern und im Nachgang gemeinsam mit der Kommune konkrete Maßnahmen wie Informationskampagnen oder lokale Förderprogramme aufs Gleis bringen. Die Daten seien stets aktuell, die Entwicklung werde transparent. Sichtbar seien damit sowohl Potenziale als auch die Fortschritte und ihre Stellschrauben. „Die Energiewende bekommt einen gewissen Projektcharakter und kann in einem kontinuierlichen Prozess vorangetrieben werden“, sagt Dr. Killinger. „Von der Initiierung über die Planung bis zur Umsetzung.
Ein Beitrag von Thomas Glanzmann, Foto: Greenventory GmbH