Hansgrohe-Boss Hans Jürgen Kalmbach darf mit seiner Mannschaft nach den Badezimmern und Duschen dieser Welt nun auch die Küchen erobern. Nebenbei steht noch eine kleine Revolution an: die Digitalisierung des Duschens…
Auf der ganzen Welt bekannte Schwarzwälder Spezialitäten gibt es ja so einige. Bollenhut. Kirschtorte. Kuckucksuhr – und Bad-Armaturen. Duravit und Hansgrohe machen von Hornberg und Schiltach aus die ganze Welt nass und melden von Jahr zu Jahr neue Rekordzahlen. 1,08 Milliarden Euro Umsatz waren es bei Hansgrohe im Jahr 2018 – so viel wie noch nie. Die Schwarzwälder beschäftigen in 37 Ländern rund 5000 Mitarbeiter. 32 Prozent der Firma sind noch im Besitz der Familie Klaus Grohe, 68 Prozent gehören dem US-Konzern Masco und an der Unternehmensspitze steht seit anderthalb Jahren mit Hans Jürgen Kalmbach ein echtes Eigengewächs. 45 Jahre jung. Geboren in Freudenstadt. BWL-Studium an der Dualen Hochschule in Villingen-Schwenningen und wohnhaft in Hausach. Sein Thema: die Digitalisierung des Badezimmers. Denn Pionierleistungen haben bei Hansgrohe Tradition, schließlich hat man hier nicht nur Duschkopf und Duschstange erfunden, sondern auch gleich die Freude am Flüssigen.
Herr Kalmbach, Sie sind jetzt seit anderthalb Jahren Vorstandsvorsitzender von Hansgrohe und damit verantwortlich für die Abteilung Attacke, wenn man dem Handelsblatt glauben darf. Wie fällt Ihre Bilanz nach der ersten Saison als Mannschaftsführer aus? Ich glaube, wir sind auf einem sehr guten Weg. Der Schwerpunkt meiner Arbeit war zunächst die Ausrichtung des Unternehmens auf Innovation und Design. Auf der ISH-Messe haben wir viel Neues gezeigt, das enorm Anklang gefunden hat. Und wir haben zum ersten Mal eine digitale Produktlösung präsentiert, die für Hansgrohe das neue Zeitalter darstellt. Hansgrohe ist schon immer ein innovatives Unternehmen gewesen. Modernes Design, kluge Funktionen, smarte Produktionsprozesse. Jetzt aber geht es darum, Duschen zu digitalisieren. Aber warum? Und: Wer braucht denn das? Wir sehen, dass sich Smart-Home-Anwendungen in Deutschland und der Welt, vor allem aber in Asien und Amerika, mehr und mehr durchsetzen. Die Hälfte unserer Kunden ist daran interessiert, Smart-Home-Anwendungen im Zuhause zu nutzen. Ein Drittel der Kunden im Alter von 30 bis 40 Jahren würde diese sogar im Badezimmer anwenden.
Bisher sind nur die allerwenigsten Badezimmer digital und auf den WLAN-Duschkopf warten wir alle auch noch…
Wir glauben, dass die Digitalisierung im Badezimmer im Bereich Licht, Jalousien und Sound beginnen wird. Wir sind dabei, diesen Bereich des Badezimmers mit digitalen Möglichkeiten neu auszurichten, um noch besseres Duschvergnügen anzubieten.
Ihr System in diesem Bereich heißt RainTunes. Was genau ist damit für die nahe Zukunft alles vorstellbar?
Mit RainTunes hat der Kunde ein Duscherlebnis, das alle Sinne anspricht: Fühlen, Hören, Sehen und Riechen. RainTunes ist eine digitale Anwendung, die der Kunde mit der App bedient und damit verschiedene Duschszenarien startet. Ob am Morgen nach dem Aufwachen zum Vitalisieren oder nach dem Sport zum Auffrischen: Je nach Tagessituation gibt es unterschiedliche Szenarien.
Wie ist diese Idee entstanden?
Unsere Designer bringen immer wieder neue Ideen bezüglich der Funktionalität unserer Produkte ein. Dadurch entstehen neue Nutzenversprechen. Gleichzeitig arbeiten wir mit unseren Teams an den technologischen Möglichkeiten und schauen, was man mit Metall und Kunststoff alles machen kann. Wir beschäftigen Sounddesigner, unterhalten ein eigenes Strahllabor und arbeiten täglich daran, wie man Wasser noch besser in Form bringen kann, um möglichst wassersparend zu sein.
…aber nicht alles, was technisch machbar ist, setzt sich am Markt auch durch. Ich erinnere mich an amerikanische Autos aus den Siebzigern, die plötzlich sechs Reifen hatten…
Man muss auch einkalkulieren, dass mal eine Idee zu nichts führt. Denn wenn man den Kunden danach fragt, was er gut findet, wird man nicht wirklich innovativ sein.
Klingt ein bisschen nach Henry Ford und seinem schönsten Zitat. „Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wirklich wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“
Stimmt. Wenn wir so denken würden, würde es vielleicht heute auch die fünfzehnstrahlige Brause geben. In den Achtzigern und Neunzigern haben wir Brausen entwickelt, die mehrere Strahlen und ein unterschiedliches Erlebnis boten: Es gab den Monostrahl, den Kaskadestrahl, den Massagestrahl mit Belüftung und den ohne. Es wurde technisch immer aufwendiger. Irgendwann haben wir gemerkt, dass das alleine nicht wichtig ist, sondern das Duscherlebnis als solches! Danach haben wir die Duschen größer gemacht, um einen breiteren Strahl zu haben, der sich auf Knopfdruck steuern lässt. Und morgen? Da schaltet man mit digitalen Lösungen ins gewünschte Szenario und lässt die verschiedenen Strahlarten und Temperaturen automatisch ablaufen. Unterscheiden Sie Duschtypen, für die Sie verschiedene Produkte entwickeln? Wir beschäftigen uns ja seit vielen Jahrzehnten intensiv mit Duschen. Dabei überlegen wir uns auch, welche Personen unsere Kunden sind und welche Bedürfnisse sie haben. Es gibt zum Beispiel den Business-Mann, der morgens nur kurz im Bad ist und den Genuss-Duscher, der den Massage-Strahl nutzt und besonders ausgiebig duscht. Für jeden Typ gibt es Produkte und Konfigurationen. Man hat das Gefühl: Duschen sind für manche Menschen das, was der Weber-Grill für Hobbyköche ist. Ein Statussymbol. Ausdruck von Lebensqualität.
Wie aber passen die immer luxuriöser werdenden Wellnesstempel im Privaten mit Aspekten wie Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zusammen?
Das Badezimmer wird immer wichtiger im Haus und wird mehr und mehr individuell gestaltet – sowohl in der Dusche als auch beim Waschbecken mit seinen Armaturen, Möbeln und Spiegeln. Die Kunden sind bereit, in ihr Badezimmer zu investieren! Nachhaltigkeit ist gleichzeitig ein wichtiges Thema, weil unsere Produkte Wasser verbrauchen und die Dusche einer der größten Wasserverbraucher im Haushalt ist. Für uns sind die Genuss-Duscher-Produkte wichtig, die möglichst wassersparend und energiesparend sind. Zudem beschäftigt sich Hansgrohe mit der Frage, wie man den Wasserverbrauch weiter reduzieren und das genutzte Wasser langfristig weiterverwenden kann.
Wie spart man Wasser beim Duschen? Wird der Wasserstrahl immer feiner oder recycelt man das Grauwasser?
Die Durchströmung der Brause geschieht durch kleinere Düsen. In unseren Air-Brausen wird zum Beispiel Luft mit Wasser gemischt. Dadurch wird auf der einen Seite Wasser gespart und auf der anderen Seite fühlt sich der Wasserstrahl wie ein feiner, warmer Regen an.
Die Nachfrage nach Duschen steigt, die nach Badewannen sinkt. Woran liegt das? Hat das etwas mit demografischer Entwicklung zu tun? Ist es für die älter werdenden Deutschen einfach zu mühsam, in die Wanne zu klettern?
Wir alle sind dem demografischen Wandel ausgesetzt. Duschen sind immer beliebter und werden größer gebaut, da der Platz der fehlenden Badewanne genutzt wird. In Häusern mit mehreren Zimmern gibt es in der Regel nur noch ein Zimmer mit Badewanne. Die restlichen Zimmer sind mit Duschen ausgestattet.
Künftig gibt es bei Hansgrohe auch Wellnessduschen für Obst und Gemüse. Warum erst jetzt?
Wir haben uns in den letzten fünf Jahren intensiv mit der Küche auseinandergesetzt. Neben den Armaturen haben wir jetzt auch Küchenspülen und bieten eine neue Kombination zwischen Armatur und Küchenspüle an. Der Kunde kann damit einfacher und intuitiver die Spüle und die Armatur bedienen. Dadurch sind neue Ideen entstanden: zum Beispiel der Strahl, der einen Salatkopf optimal wäscht
Welche wirtschaftliche Bedeutung soll dieses Segment Küche in fünf und in zehn Jahren haben?
Mit Lösungen für die Küche erwirtschaften wir heute etwa zehn Prozent unserer Umsätze und gehen davon aus, dass dieses Segment weiter wächst. Wir sehen die Küche als sehr großen Markt, weil sie einfach das Herz vieler Häuser bildet. Hier kommt die Familie zusammen, hier empfängt man Gäste und verbringt Zeit zusammen. Für die Markenbildung eines Unternehmens wie Hansgrohe ist das von größter Bedeutung und eine echte Steilvorlage!
Interview: Ulf Tietge, Foto Jan Reiff