Was macht ein Fashion-Dienstleister, wenn von jetzt auf gleich die Aufträge ausbleiben? Ein eigenes Label. Mit der frechen Schwarzwälderin Black Bonnie traf man bei Stickstoff in Waldkirch den Zeitgeist – und greift jetzt richtig an …
Manchmal ist es schon verrückt. So viele Male saß Michael Heß bereits vor einem leeren Blatt Papier. So oft schon hatte er sie gesucht, diese eine Idee, mit der der Elztäler Unternehmer auch mal seine ganz eigenen Klamotten besticken lassen könnte. Aber sie kam nicht. Und dann ist es ein launiger Abend im Jahr 2019 bei seinen Fußballkumpels in der Altherrentruppe, der alles verändert. „Mach doch mal so ’ne Schwarzwälderin in Dirty“, meint ein Mitspieler. Es folgt ein Entwurf von Sohnemann Nils, gerade mal 15 Jahre alt. Dann geht Michaels damaliger Grafiker Stefan noch mal ran – und schon ist Black Bonnie aus der Taufe gehoben. Den Fußballkollegen (die erste Bonnie kommt in den königsblauen Farben des Vereins, des SC Gutach-Bleibach, daher) gefällt’s gut. Deren Kumpels auch. Und deren Umfeld auch. Der Ball kommt schließlich ins Rollen, um mal in der Fußballersprache zu bleiben …
Alles runterfahren – oder doch lieber nicht? Manchmal kommen die Dinge eben wie sie kommen. Corona war ja auch so ein Fall. Von heute auf morgen bricht im März 2020 bei Stickstoff in Waldkirch wie in vielen Unternehmen ein Auftrag nach dem anderen weg. Denn Michael Heß eigentliches Geschäft ist Corporate und Promotion Clothing. Work Fashion, die mit Logos oder ähnlichem bestickt oder bedruckt wird. 15 Mitarbeiter sind erst vor Kurzem von Gutach im Breisgau an den vergrößerten Standort in die Adolf-Ruth-Straße nach Waldkirch gezogen. Mit 26 Stickköpfen werden dort seither rund 120 000 Teile im Jahr produziert. Immer häufiger übrigens auch nachhaltig und in Bio-Qualitäten.
Alles auf Angriff!
Einer der Stickstoff-Hauptabnehmer ist die Franchise-Gastronomie. Michael He kommt ursprünglich aus der Gastro Fashion, daher die Verbindung. Doch Kunden wie Dean & David oder Enchilada brauchen in dieser Zeit aus bekannten Gründen erst mal keine neuen Shirts, Schürzen oder Kochjacken. Ebenso der Europa-Park, ein weiterer Großkunde. Nach den ersten sorgenvollen Tagen trifft Michael mit seinem Team deshalb eine Entscheidung: Dann machen wir jetzt eben unser eigenes Ding! „Black Bonnie lief bislang mehr so nebenher, weil auch einfach nicht die Zeit war“, erzählt He . Das änderte sich. Es folgte eine Website samt eigenem Shop, Vertriebsgespräche mit Wiederverkäufern und Händlern und die Entwicklung weiterer Produkte, Ideen und Layouts. Black Bonnie nahm Fahrt auf, inzwischen gibt es sogar eine eigene SC-Freiburg-Version im offiziellen Fan-Sortiment des Fußball-Bundesligisten.
Kapitänsmütze statt Bollenhut
Mittlerweile hat das Stickstoff-Team bereits mehr als 12 000 Einzelstücke an den Mann gebracht – und ihrem längst wieder erwachten Kerngeschäft damit auch noch zusätzlichen Schwung gegeben. „Wir haben einige Neukunden gewonnen, die erst durch Black Bonnie auf uns aufmerksam geworden sind“, erzählt Michael He sichtlich stolz. Dazu richten die Stick-Spezialisten mit ihrer Revoluzzerin – die Idee mit dem Halstuch vorm Mund entstand ja bereits vor der Pandemie – den Blick nun auch über den Schwarzwald hinaus. Mit der Kutter-Bonnie gibt es jetzt ganz neu die ersten Motive mit Kapitänsmütze statt Bollenhut. „Für ein erfolgreiches Label ist der Schwarzwald auf Dauer zu klein“, erklärt der Unternehmer. Zudem haben auch die ersten Kunden das Motiv für sich entdeckt und schmücken sich inzwischen selbst mit der frechen Dame. Gestickt werden die Motive auf die Klamotten, Käppis und Rucksäcke vor Ort in Waldkirch. Gut zweieinhalb Stunden braucht eine der Stickstoff-Maschinen für diese hochwertige Form der Stickerei. Fast 100 000 Stiche benötigt es, dazu 700 Meter Garn in verschiedenen Farben. Stickerei made in Germany gibt es noch in rund 1500 solcher Stickereien bundesweit, viele davon stehen mit einzelnen Maschinen in Privathaushalten. „Wir sind in der Region die größte“, erzählt Heß, der das Unternehmen vor zehn Jahren mit einem inzwischen verstorbenen Partner gegründet hatte. Zudem gehören die Waldkircher sicherlich zu den entspanntesten. Im eigenen, integrierten Laden spielen die Mitarbeiter nicht selten auch mal am Kickertisch mit ihren Kunden. Der Einsatz: fünf Prozent Nachlass bei einem Sieg …
Viele wichtige Learnings
Natürlich sei er froh, dass das Motiv offensichtlich einen Nerv treffe, erzählt Michael Heß. „Aber wir profitieren auch im Unternehmen von den zahlreichen Learnings, die wir gerade machen, und das ist mir genauso wichtig.“ Ob Entwicklungsarbeit, Markenaufbau, Online- und Offline-Vertrieb oder logistische Fragen: „All das können wir auch in unsere Arbeit für und mit den Kunden mitnehmen“, meint der gelernte Banker. Dazu sei auch die Motivation im Team extrem hoch. Klar, wenn man eigene Ideen einbringen kann und dabei dann auch noch Erfolg hat. „Wir sind hier alle inzwischen irgendwie Black Bonnie“, sagt Michael He . Die Zukunft könnte also wild werden …
Ein Beitrag von Stephan Fuhrer, Foto: Michael Bode