An der Hochschule Furtwangen wird künstliche Intelligenz immer wichtiger – jetzt setzen die Forscher des Data Science Competence Centers auf Kooperationen mit Unternehmen aus der Region. Dafür muss man sich nur mal melden …
Daten über Daten. Aus der Produktion, dem Vertrieb, der Personalabteilung. Sie schlummern auf den Servern und Festplatten von Mittelständlern, Kliniken und Versicherern. Künstliche Intelligenz (KI) kann helfen, aus dieser Datenflut einen Mehrwert für Unternehmen, Kunden oder Patienten zu generieren. Genau das ist das Thema des Data Science Competence Centers (DSCC) der Fakultät Wirtschaftsinformatik (WI) an der Hochschule Furtwangen, das interessierte Unternehmen jeder Größe bei diesen Vorhaben unterstützt.
Wer als Unternehmer über Massendaten verfügt und wissen will, welche Mehrwerte darin schlummern, bereits konkrete Vorstellungen zur Datenanalyse oder einfach mehr über die möglichen Einsatzgebiete von KI in der eigenen Branche erfahren will, ist vom DSCC herzlich eingeladen, einfach mal anzurufen und einen Termin zu vereinbaren. In einem zwei bis dreistündigen Kick-off-Termin vor Ort werden schließlich mögliche Geschäftsfelder und Fragestellungen besprochen und Fallbeispiele mit Potenzial identifiziert – die im Rahmen von Thesis-Arbeiten (Bachelor oder Master) wissenschaftlich fundiert weiterbearbeitet werden – etwa um ein Proof-of- Concept zu erstellen. Sollte mit einem Fallbeispiel absolutes Neuland betreten werden, besteht die Option, ein gemeinsames Forschungsprojekt von Hochschule und Unternehmen zu definieren, um Fördermittel auf Landes-, Bundes- oder europäischer Ebene zu beantragen. Bis dahin aber ist alles kostenlos, da die Durchführung von KI-Studien zum Forschungsauftrag des DSCC gehört. Sind die Studien erfolgreich abgeschlossen und veröffentlicht, ist der Forschungsauftrag des DSCC erfüllt. Gehen konkrete Projektwünsche aus den Studien hervor, begibt sich das Unternehmen in den üblichen Projektmodus, der nichts mehr mit dem Forschungsauftrag des DSCC zu tun hat. Projektteam aufsetzen, Soft- und Hardware beschaffen, externe Dienstleister zu Rate ziehen, Daten bereinigen und Methoden testen: Auch in dieser Phase der Umsetzung aber kann das DSCC unterstützen.
Die Nachfrage steigt
Es ist zu registrieren, dass seit 2015 das Thema künstliche Intelligenz bei vielen Unternehmen angekommen ist. Dank besserer Verfügbarkeit von KI-Tools wird sich dieser Trend nicht verlangsamen, sondern weiter beschleunigen. Das Ziel des DSCC ist es daher, eng mit Unternehmen zusammen zu arbeiten, die sich zunehmend der Herausforderung stellen, Entscheidungen datenbasiert zu treffen. Das wiederum geschieht unter der Annahme, dass in den im Unternehmen vorhandenen Datenbeständen mehr wertvolle Informationen verborgen sind als bisher wahrgenommen, geschweige denn genutzt werden.
Während in den Unternehmen selbst das Domänenwissen liegt, wie Anforderungen spezifiziert und Erfahrungswissen genutzt werden können, bedarf es darüber hinaus einer geeigneten IT-Plattform. Das DSCC steuert das notwendige Know-how bei, wie mithilfe von Data-Science-Methoden und Werkzeugen Mehrwerte aus den Daten geschaffen werden können.
Fallbeispiele definieren: die Kooperation mit Baden IT
Wie man sich das in der Praxis vorstellen kann, zeigt die Kooperation des DSCC mit dem Freiburger IT-Dienstleister Baden IT, eine Tochtergesellschaft des Energieversorgers Badenova. Gemeinsam hat man 2019 eine Kooperation gestartet, um in einer gemeinsamen Studie Potenziale für Technologien zur fortgeschrittenen Datenanalyse für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu identifizieren. Die für die Studie definierte Zusammenarbeit sieht vor, dass zunächst in Workshops Potenziale für eine KI-basierte Datenanalyse identifiziert und zusammengetragen werden. Ziel des Workshops ist es zum einen, das nötige Grundlagenwissen zu vermitteln, um Ideen für Fallbeispiele entwickeln zu können. Zum anderen sollen Fallbeispiele mit Potenzial identifiziert sowie priorisiert, unrealistische Ideen dagegen aussortiert werden.
Das DSCC qualifiziert im Anschluss an den Workshop die Fallbeispiele im Hinblick auf Nutzen und Realisierbarkeit. Darauf aufbauend können diese im Rahmen von Thesisarbeiten (Bachelor oder Master) weiterbearbeitet werden. Zudem besteht die Möglichkeit für Unternehmen, ein Pilotprojekt (zum Beispiel über ein Steinbeis-Transferzentrum) zu beauftragen. Sollte damit Neuland betreten werden, besteht die Option, ein gemeinsames Forschungsprojekt zu definieren, um öffentliche Fördermittel zu beantragen.
KI-Technologie im Kampf gegen Krankheiten
Wesentlich konkreter ist die Zusammenarbeit des DSCC mit der Iomedico AG, einem klinischen Forschungsinstitut mit Sitz in Freiburg, spezialisiert auf die Fachgebiete Onkologie und Hämatologie. Gemeinsam mit Iomedico hat das DSCC eine Untersuchung gestartet, in der m gliche Anwendungen von KI in der Krebsforschung analysiert werden. Dabei sollen KI-Modelle genutzt werden, um Behandlungshistorien von Krebspatienten auszuwerten. Konkret sollen mithilfe der KI eine individualisierte Vorhersage für den Behandlungserfolg umgesetzt und Einflussfaktoren auf den Behandlungserfolg bestimmt werden. In der Untersuchung planen wir insbesondere Technologien des explainable AI (xAI) zu verwenden. Mit xAI wird dem Problem begegnet, dass komplexe KI-Modelle zwar gute Vorhersagen machen können – die Basis für die Vorhersage für Menschen jedoch nicht mehr nachvollziehbar ist.
Ausschuss proaktiv vermeiden
Auch mit der Sick AG aus Waldkirch arbeitet das DSCC zusammen. Hier geht es um proaktive Fehlervermeidung in der Produktion durch maschinelles Lernen. Gemeinsam erforscht man, wie mit maschinellem Lernen Produktionsfehler reduziert werden können. In dem für drei Jahre angesetzten Projekt nutzen die Forscher vom DSCC und die Spezialisten des weltweit tätigen Sensor-Herstellers KI-Technologie, um Messungen aus Qualitätstests zu analysieren. Die erstellten KI-Modelle sind in der Lage, Fehlerwahrscheinlichkeiten für einzelne Produkte vorherzusagen. So wird es m glich, Ausschuss proaktiv zu vermeiden und Fehlerursachen zu identifizieren. KI-Modelle auf den Produktionskontext zuzuschneiden ist jedoch mit hohem manuellem Aufwand verbunden und erfordert sowohl Fachwissen über KI als auch zu den Produktionsprozessen. Genau an dieser Stelle setzt die Kooperation an. Es soll der Automatisierungsgrad für den Einsatz in der Produktion erhöht und somit operativ praktikabel gemacht werden. Dabei setzt man auf die Kombination von Wissensmodellen, AutoML und Big Data.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Monika Frey-Luxemburger, Prof. Dr. Thomas Marx, Prof. Dr. Peter Schanbacher, Prof. Dr. Ulf Schreier und Prof. Dr. Holger Ziekow (alle Hochschule Furtwangen)