Holz, Stahl, Blech, Kunststoffe oder Halbleiter – derzeit mangelt es in fast allen Branchen an Rohstoffen, Vorprodukten und Materialien. Die Unsicherheit ist groß: Kommt noch Ware? Und zu welchem Preis? Regionale Mittelständler suchen nach Lösungen aus der Krise …
Holz, vom Boden bis zum Dach: Die Häuser, die Kaspar Holzbau aus Gutach baut, sind zu weiten Teilen aus dem natürlichen Rohstoff erstellt. In der erst vor zwei Jahren fertiggestellten neuen Produktionshalle werden die Holzkonstruktionen so weit wie möglich vorbereitet. Komplette Wände enstehen hier, auch Fenster und Rollläden werden schon eingebaut. Vom Firmengebäude übers Einfamilienhaus bis zum Ärztezentrum – die beiden Geschäftsführer Bernd und Jürgen Kaspar verbauen mit ihren gut 40 Mitarbeitern um die 1500 Kubikmeter Holz im Jahr. Jetzt aber kommen sie durch die Materialengpässe in der Branche an ihre Grenzen. „Im vergangenen Jahr haben sich die Holzpreise fast verdreifacht“, erzählt Jürgen Kaspar. Ein zum Teil hausgemachtes Problem, wie er sagt, „denn sehr viel Holz ist von Europa ins Ausland gegangen, weil dort bessere Preise zu erzielen waren.“ Während im Herbst 2021 kurzzeitig eine Erholung einsetzte, schnellen spätestens mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine und aufgrund rasant steigender Energiepreise, nicht nur wieder beim Holz, sondern bei so gut wie allen Materialien, die Preise steil in die Höhe. Auch das bekommt Kaspar zu spüren, schließlich baut der Betrieb schlüsselfertig und führt auch Schlosser-, Blechnerund Dachdeckerarbeiten selbst aus.
Doch was tun, wenn vom Dachziegel über den Festmeter Fichtenholz bis zum Trapezblech kaum noch ein Preis, geschweige denn ein Liefertermin kalkulierbar ist? „Wir können nur sehr begrenzt auf Vorrat kaufen – die benötigten Teile sind viel zu individuell“, sagt Kaspar. Also machte man sich auf einen ungewöhnlichen Weg: Statt wie früher beim Sägewerk Konstruktionsvollholz (KVH) fertig veredelt zu kaufen, ging er direkt an die Quelle. Und kaufte beim Forstwirt in der Nachbarschaft 600 Festmeter Holz. „Wir haben alles Weitere organisiert und die weiteren Arbeiten über verschiedene Sägewerke verteilt.“ Mit diesem „Vorrat für alle Fälle“ auf dem Hof ließe es sich etwas entspannter planen, sagt er. Langfristig aber müsse sich die Branche ändern. „Es darf nicht mehr darum gehen, mit einem Lieferanten, einem Sägewerk um jeden Cent zu feilschen“, konstatiert Kaspar. „Wir setzen auf mehr Verlässlichkeit unseren Partnern gegenüber, darauf, Lieferketten festzuzurren und Lieferantentreue zu zeigen – das zahlt sich jetzt in der Not aus“, ist seine Erfahrung. Kaspar, der auch in der Zimmererinnung engagiert ist, sieht diese Einstellung auch bei den Kunden. Wo Bauherren früher vielleicht zuvorderst über Preise verhandelten, suchten sie heute eher einen verlässlichen Partner, einen engagierten Handwerksbetrieb, mit dem man das Projekt trotz der komplexen Probleme realisieren könne. „Die Wertschätzung unserer Arbeit“, stellt Kaspar fest, „ist wieder gestiegen.“
Kooperation statt Konkurrenz
Von steigenden Holzpreisen und großer Nachfrage dürfte Manuel Echtle vom Nordracher Sägewerk Echtle (46 Mitarbeiter, 45 000 Festmeter im Jahr) eigentlich profitieren. Glücklich aber ist er mit der Situation nicht – vor allem mit Blick auf seine Kunden, die Zimmerleute und Bauunternehmer, die arg in die Bredouille gerieten, als der Kubikmeter KVH im vergangenen Jahr plötzlich nicht mehr 350, sondern 1000 Euro kostete. „Das ist keine gesunde Entwicklung. Man sollte mit verderblicher Ware nicht spekulieren!“ Die Sägewerke in Deutschland hätten durchgehend auf Hochtouren produziert. „Wir haben alle versucht, unsere Kunden und Partner zu versorgen und gesägt wie die Wahnsinnigen. Unterm Strich dürften wir 2021 noch mal eine Million Kubikmeter mehr produziert haben als im bisherigen Rekordjahr 2020.“
Wenig profitiert haben von alldem bisher die Waldbesitzer. Weil vor allem in Mitteldeutschland noch immer viel Käferholz anfällt, sind die Preise mit nur 80 Euro je Festmeter noch am Boden. Im Schwarzwald sieht es mit 120 bis 130 Euro etwas besser aus – aber auch mit diesen Preisen bringt eine schöne, große Weißtanne je nach Durchmesser nur etwa 300 bis 500 Euro und fällen muss man sie dafür auch noch. Und welche Lehren kann man daraus ziehen? „Dass wir in der Region zusammenarbeiten müssen!“, sagt Echtle. „Es ist für alle gut, wenn sich Zimmerleute, Sägewerke und Waldbesitzer mal zusammensetzen, um gemeinsam über regionale Wirtschaftskreisläufe, Bedarfe und Aussichten zu sprechen, um so Planungssicherheit für alle Beteiligten anzustreben!“
Ein Ansatz: breiter aufstellen!
Mehr Treue, mehr Fairness, mehr Diversifizierung – so könnte man den Ansatz von Thomas Mann beschreiben, um der aktuellen Krise zu trotzen. Bis vor drei Jahren war seine Vosta Mann GmbH in Steinach allein als Pulverbeschichter tätig, doch mit dem Einstieg seiner Söhne wuchs das zweite Standbein des Unternehmens: Smart- Home-Lösungen. Oberflächen und Hauselektro – diese Kombination ist sicher nicht zwingend, sondern eher ein Zufall und den Interessen der beiden Junioren geschuldet. „Heute merken wir, wie wichtig es ist, breiter aufgestellt zu sein“, erklärt Thomas Mann. „Auch wenn die Materialknappheit momentan natürlich in beiden unserer Geschäftsbereichen spürbar ist …“, fügt er an. Im Bereich Oberflächenbehandlung zählen zu seinen Kunden vor allem die metall- und blechverarbeitende Industrie und der Maschi- 28 nenbau. Mann und sein 11-köpfiges Team beschichten Teil- und Endprodukte, aber auch Möbel, Dekoratives und erfüllen besondere Wünsche für Architekten . „Der Einbruch im ersten Corona- Jahr war heftig“, sagt Thomas Mann. Ein Auftragsminus von mehr als 40 Prozent galt es zu verkraften. 2021 gab es dann sowohl Aufschwünge wie Dellen. „Aber seit diesem Jahr ist die Materialverknappung im Stahlbereich deutlich größer geworden und wir müssen die Lieferverzögerungen, unter denen die Kunden leiden, zeitlich wieder auffangen“, beschreibt Mann die aktuelle Situation. Soll heißen: „Wir bekommen die Teile extrem kurzfristig angeliefert und müssen sofort loslegen.“ Eine vernünftige Auslastungsplanung sieht anders aus … Auch im Bereich der Smart Homes muss er mit einer Teuerungsrate von bis zu 50 Prozent leben, berichtet er. FI-Schalter, Kupferkabel, Schaltersysteme, Leuchten – schwierig zu bekommen, teuer im Preis. „Wir erstellen die gesamte Hauselektrik vom Einfamilienhaus bis zum 12-Parteien-Gebäude“, sagt Mann. „Was wir nicht machen, sind Low-Budget-Projekte – und diese Haltung zur Qualität hilft uns auch nun in der Zeit der Teuerung.“
Auf mehreren Standbeinen steht es sich stabiler
In der aktuellen Entwicklung stecke auch eine Chance, da ist sich Thomas Mann sicher: „Augen auf, umdenken – und raus aus der Bequemlichkeit!“ Wenn die Kundenstruktur nicht breit genug sei und mit einem Kunden gleich 30 Prozent des Umsatzes wegbrechen könnten, müsse man sein Geschäftsmodell hinterfragen, sagt er. Im Elektrobereich kann Vosta Mann über eine Einkaufsgemeinschaft die Kosten etwas reduzieren, „bei der Oberflächenbehandlung kommt eine solche Lösung nicht infrage, dafür sind wir nicht groß genug.“ Wichtiger sei, auf anderen Wegen die Kosten zu senken, etwa durch effizientere Energienutzung.
Der Ukraine-Krieg verschäft die Lage
Die neuesten Zahlen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags DIHK, die kurz vor Beginn des Kriegs in der Ukraine erhoben wurden, zeigen das Ausmaß der Engpässe: Mehr als 80 Prozent der Unternehmen seien im mittleren oder gar erheblichen Umfang von Preisanstiegen und Lieferschwierigkeiten betroffen. Und im März meldeten laut DIHK rund 60 Prozent der Unternehmen zusätzliche Störungen in der Lieferkette und Logistik als Folge des Krieges. Auch die zu erwartenden nachgelagerten Verwerfungen auf dem Energiemarkt beunruhigen die Wirtschaft. „Dieses Szenario ist wirklich bedrohlich“, sagt auch Thomas Mann, dessen Brennöfen für die Pulverlackbeschichtung sehr energieintensiv sind. „Als Unternehmer brauche ich das Gas, als Mensch, der die Situation in der Ukraine vor Augen hat, würde ich die Leitungen zum russischen Gas am liebsten sofort kappen wollen!“
Ein Beitrag von Imke Rosebrock, Foto: Kaspar Holzbau